Marc DePulse im Interview: „Minimale Marc DePulse-Tracks sind meist sehr dreckig im Bass und generell habe ich eine tiefe Bassdrum …“

Am 13. November veröffentlichte der Leipziger Marc DePulse auf dem Berliner Label Heinz Music seine neue Single „Dirty Deep DePulse“. Diese umfasst neben drei Originalen auch zwei Remixe von Marcus Meinhardt und Siopis. Wir haben Marcel, so der bürgerliche Vorname, ein paar Fragen zur Single und anderen Themen gestellt.

Hallo Marcel, du kannst unter deinem Künstlernamen Marc DePulse auf eine mehr als 10-jährige Erfahrung in der elektronischen Musikszene in Europa zurückblicken. Welche Rolle spielt in deinem Künstlerdasein generell deine Heimatstadt Leipzig?

Marc DePulse: Leipzig hat generell einen hohen Stellenwert in der Musik. Namen wie Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartoldy, Robert Schumann oder Richard Wagner gehen einem leicht von den Lippen wenn man über die Musikstadt LE spricht. Es wäre aber weit hergeholt, wenn ich da jetzt irgendeine Brücke zu unserer kleinen subkulturellen Szene bauen würde. Ich bin seit frühester Kindheit mit der Musik verbunden, wenn auch unbeabsichtigt. Meine Eltern haben mich damals zum Akkordeon-Unterricht geschickt, da war ich vielleicht gerade 7 Jahre alt. Eigentlich wollte ich lieber mit meinen Kumpels um die Häuser ziehen oder im Hinterhof bolzen, aber meine Eltern meinten, ich solle lieber etwas Sinnvolles machen. Später bin ich auf eine künstlerisch orientierte Schule gekommen, aber hauptsächlich weil sie fast vor der Haustür lag. Als dann die Oberstufe näher rückte, habe ich mich für den Musik-Leistungskurs entschieden – aber auch nur weil ich überhaupt keine Ahnung hatte, was ich später einmal werden wollte und ich schon immer gern Musik gehört habe. Auch wenn sich das damals auf David Hasselhoff oder Roxette beschränkt hat (lacht). In Vorbereitung auf das Abitur hatte jeder dann die Wahl entweder ein Instrument zu spielen oder zu singen. Und Akkordeon empfand ich immer irgendwie als das totale Anti-Instrument (spiele es aber immer noch jedes Jahr zu Weihnachten vor meiner Familie). Also bin ich dem Schul-Chor beigetreten. Und dort war ich auch nach dem Abi noch ganz viele Jahre und fand es unterm Strich großartig, auch wenn ich für mein Dafürhalten ganz fürchterlich singen kann. Was ich aber damit sagen will ist, dass ich seit gut 30 Jahren sehr eng mit der Musik verbunden bin. Wahre Liebe wurde es dann erst Ende der 90er Jahre, als mir ein Freund gezeigt hat, wie man elektronische Musik am PC machen kann. Mit dem legendären „Impulse Tracker“ (woher das „pulse“ in meinem Namen stammt) habe ich angefangen und ich bin meinen Eltern heute noch sehr dankbar darüber, dass ich über die Jahre Taktgefühl, Notenlehre, Gesangsunterricht und alles drum herum mitnehmen konnte. In unserem Musik-Kurs in der Schule waren damals entweder begnadete Solisten dabei oder richtige Fanatiker, die jede Partitur aufs kleinste Detail auseinander nehmen konnten. Das waren richtige Künstler – und ich war der Einzige, der den Leistungskurs irgendwie nur aus Langeweile belegt hat. Heute bin ich aber meines Wissens wiederum der Einzige, der hauptberuflich Musik macht. Alle anderen haben einen anderen Weg eingeschlagen. Aber gut, diesen Werdegang möchte ich gar nicht so sehr auf Leipzig allein beziehen – ich hätte diesen Weg auch in jeder anderen Stadt gehen können. Es hat halt nur alles wunderbar zusammen gepasst.

Marc DePulse – Dirty Deep DePulse

Schön, dass alles so zusammen gepasst hat. Sonst hätten wir wohl möglich nie in den Genuss deiner neuen, am 13. November erschienenen Single „Dirty Deep DePulse” kommen können. Wie bist du auf den Namen gekommen?

Marc DePulse: Seit ich meine eigene Musik mache, hat jeder Track einen irgendwie düsteren Touch. Über die Jahre ist das auch zu meinem Markenzeichen geworden. Aber genau diese melancholische Stimmung in den Tracks macht meinen Sound auch aus. Minimale Marc DePulse-Tracks sind meist sehr dreckig im Bass und generell habe ich eine tiefe Bassdrum oder Snare auch lieber als eine kitschig hohe. Tja und so schnell haben wir die drei „D“ zusammen: Dirty + Deep = DePulse. Der Name begleitet mich schon eine Weile. Es beschreibt die Schublade sehr gut, in die ich meine Musik einordne. Und zu den Tracks auf der Single passt er auch wie die Faust aufs Auge, daher lag es nah dass ich diese Release so benennen werde.

Wie und wo wurde die Single aufgenommen, gibt es eine Hintergrundgeschichte?

Marc DePulse: Zu einigen meiner Releases gibt es wirklich lustige Geschichten, zu dieser allerdings keine. Das soll jedoch das Produkt nicht schmälern, es steckt ja trotzdem voller Herzblut. Alle Tracks wurden in meinem Studio aufgenommen, aber das gilt generell für alle meiner Werke. Auf Reisen oder woanders kann ich nicht produzieren. Ich brauche mein komplettes Equipment zum vernünftigen Arbeiten. Schon ein anderer Raum würde den Klang verändern und da ich sehr perfektionistisch bin, müssen die Voraussetzungen halt genau so sein, dass meine Ohren 100% mit dem Resultat zufrieden sind. Zur Single gibt es noch zu erzählen, dass der Track „No mans land“ in Zusammenarbeit mit den beiden Kanadiern Hollis P Monroe und Overnite entstanden ist. Aber in Zeiten des world-wide-web geht das natürlich auch ziemlich leicht, indem wir uns die Spuren und Ideen halt einfach hin- und herschicken. Insgesamt hat der Track aber schon gut 4 oder 5 Monate gebraucht, bis er endgültig fertig wurde. Das ist bei mir eigentlich unüblich, aber genauso gut egal. Manche Tracks gehen schnell von der Hand, Andere brauchen Monate. „Westbalkon“ hat damals gut ein halbes Jahr gedauert, bis es fertig wurde, „Montag Moll“ nur 2 Tage. Aber die Resonanz darauf war in etwa der Gleiche. Das mal nur am Rande.

Marc DePulse

Die Single umfasst insgesamt drei Originale und zwei Remixe. Über welchen zeitlichen Rahmen erstreckten sich die Arbeiten von den ersten Skizzen, über die Ausarbeitung der Sounds bis hin zur fertigen Single und schließlich dem Tag des Releases? Du sagtest, „No mans land“ dauerte gut vier oder fünf Monate. Kann man die Produktion der Single als Gesamtprozess betrachten, oder muss man jeden einzelnen Track für sich sehen?

Marc DePulse: Ich produziere sehr viel querbeet, musiziere ja nicht nur als Marc DePulse. Daher kann ich das gar nicht so genau sagen. Der Track „Midnight Dirty“ war sogar ursprünglich für eine andere Single vorgesehen, passte am Ende aber doch wunderbar ins Schema. Und dann ist es ja auch immer so: ein Remix kann erst angefertigt werden, wenn das Original steht. Demnach musste natürlich die „No mans land“ zuerst fertig gestellt werden, damit Marcus und Jannis ihre jeweiligen Remixe anfertigen konnten.

Wieso war Heinz Music das Label deiner Wahl?

Marc DePulse: Ich hab von Heinz schon seit der Gründung etliche Tracks gespielt, hatte das Label immer auf dem Schirm. Anfang dieses Jahres kam dann aber Marcus Meinhardt auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich ihm Demos schicken könnte. Und daraus wurde dann eine neverending-love-story :-)

Liebe ist immer gut ;) Ich weiß, dass du nach wie vor ein großer Vinylfan bist. Die Single „Dirty Deep DePulse” erschien aber ausschließlich digital. Kannst du bei Labels den Schritt nachvollziehen, auf zusätzliche Vinylreleases zu verzichten?

Marc DePulse: Vinyl hat in der heutigen Zeit immer noch einen starken Namen, ist aber leider nicht mehr so stark im Verkauf. Labels, die heute noch Vinyl pressen lassen, machen das eher aus reiner Liebe zum Produkt, weniger weil sie damit Geld verdienen wollen. Ich habe selber vor gut 2 Jahren aufgehört, mit Vinyl zu spielen – bin dann auf CD und nun auf USB umgestiegen. Trotzdem bin ich der Vinyl noch sehr verbunden, habe wie jeder DJ eine große Auswahl an Platten daheim, die ich nie verkaufen würde – weil mich mit diesen Platten meist eine ganz besondere Erinnerung verbindet. Auf meinen Labels entscheide ich aktuell von Release zu Release, ob Vinyl Sinn macht oder nicht. Es ist halt auch immer ein Prestige-Objekt und es kommt darauf an, welches Genre bzw. Publikum man damit begeistern möchte. Clubmusik ist leichter zu verkaufen als Pop.

Marc DePulse

Dein letztes Album (gleichzeitig auch Debütalbum) „Lessons In Dub“ auf Ostwind Records liegt mittlerweile schon etwas zurück (Ende 2011 / Frühjahr 2012). Hast du dir schon Gedanken gemacht, einen Nachfolger zu veröffentlichen? Man sagt ja auch immer, dass das zweite Album schwieriger wird als das erste.

Marc DePulse: Sagt man das, ja? Ich weiß es nicht. Die Erfahrung steht mir noch bevor, allerdings verschwende ich im Moment noch keinen Gedanken daran. „Lessons in dub“ war ja auch eher ein flexibles Album, eine 3-fache EP verstreut über insgesamt 7 Monate. Ich war damals schon der Auffassung, dass so etwas viel mehr Sinn macht, als 12 Tracks auf einmal zu veröffentlichen. Denn so liegt der Fokus für ein paar Wochen und Monate immer genau auf den 4 jeweiligen Tracks. Ich finde das Modell besser und spiele ehrlich gesagt mit dem Gedanken, das wieder ganz genauso zu machen, sobald die Idee für ein Album im Kopf gewachsen ist. Vielleicht kann ich ja direkt das Thema „Dirty Deep DePulse“ ausbauen, denn genau das ist ja mein Style und vielleicht gibt´s davon direkt nächstes Jahr schon Teil 2. Spontane Ideen im Interview sind immer die Besten! (lacht)

Du kommst als DJ viel rum. Hast du einen persönlichen Lieblingsclub oder ein Festival, bei dem du sagst, hier komme ich immer wieder gern hin?

Marc DePulse: Die Frage wird mir häufig gestellt, aber ich habe nie eine spontane Antwort darauf. Ich liebe es, viele neue Orte zu erkunden – aber genauso gut an Orte zurückzukehren, mit denen ich schöne Erinnerungen verbinde. Besonders großartig fand ich dieses Jahr das NAiS-Festival in der Nähe von Dresden. Ich bin sonst nie der Typ, der Bändchen am Arm trägt, aber das Bändchen von dem tollen, liebevollen und familiär gestalteten Open Air ist seit August Resident an meinem rechten Arm. Ein gutes Event ist meist die Mitte aus allem. Nicht nur Location, sondern auch die Menschen und die Atmosphäre ist wichtig. Gerade wenn man im Vornherein nicht die allergrößten Erwartungen hat, wenn man irgendwohin „aufs Dorf“ gebucht wird. Und dann wird man so positiv überrascht – toll war´s. Aber auch die letzten Gigs behalte ich in wunderbarer Erinnerung. Ich hatte eine großartige Zeit in Thessaloniki, Innsbruck und erst vergangene Woche in Moskau und am Samstag mit Ron Flatter im Charles Bronson in Halle/Saale. Das sind alles Orte, wohin ich unbedingt bald zurückkehren möchte!

Marc DePulse

Wie kann man sich bei dir einen Wochenablauf vorstellen? Wie sieht für dich ein perfekter Tag aus und womit kannst du am besten abschalten?

Marc DePulse: Haha! Völlig verschieden. Das Schönste am selbständig-sein ist wahrscheinlich, jeden Morgen ausschlafen zu können. Als DJ ist man ja sowieso zu 90% nur im Nachtleben unterwegs, daher macht es ja auch Sinn den Wecker nur dann zu stellen, wenn man irgendwann 12 Uhr aus dem Hotel raus muss, weil der Latecheckout mal nicht möglich ist oder man eine zeitige Rückreise hat.

Aber konstruieren wir mal den „perfekten Tag“: Es ist Sommer. Nachdem ich schön ausgeschlafen habe, gönne ich mir ein leckeres Frühstück auf meinem Balkon, schreibe danach DEN Hit. Nachdem er gegen 16 Uhr fertig produziert ist und mir mein Booker 20 neue Bookings eingetütet hat, schwinge ich mich auf´s Fahrrad, drehe eine Runde durch Leipzig und genieße die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Nach einem Sprung in den See fahre ich in mein Stammlokal um mit meinen Freunden lecker zu essen und ein Bier zu trinken. Und danach lasse ich mich von meiner Frau verwöhnen…. hach…. Okay okay, ich mache die Augen wieder auf. In der Tat kann ich am Besten abschalten, wenn ich nach einem langen Tag am PC einfach mal den Kopf mit Sauerstoff durchpuste und das funktioniert am Besten beim Fahrradfahren, Joggen oder einfach nur bei einem Spaziergang durch Leipzig. Ich wohne hier ziemlich zentral und trotzdem mitten im Wald. Das liebe ich so an Leipzig, es ist sehr grün und man findet überall wunderbare Plätze zum Abschalten.

Kommen wir nun zum Ende und somit zur letzten Frage. Was steht demnächst bei dir an? Hast du weitere Veröffentlichungen geplant?

Marc DePulse: Ich arbeite gerade an einer Single, die Anfang kommenden Jahres auf Einmusika erscheinen soll. Dazu kommen diverse Remixe von mir, u.a. einer auf Heinz Music. Natürlich wird es auch mit JEAHMON! Records weitergehen. Es ist einiges in der Pipeline, vieles aber auch noch nicht spruchreif.

Das Interview führte Philipp Elzner.

Wir bedanken uns ganz herzlich für das ausführliche Interview und wünschen dir viel Erfolg für deine zukünftigen Pläne und Ideen.

Über Philipp

Philipp, der wohl größte Pan-Pot Fan auf Erden, ist das Herz und die Seele von replay – um nicht zu sagen: Philipp ist replay, wenn er nicht gerade als Webdesigner arbeitet. In vielen Beiträgen und musikalischen Schmankerln lässt Philipp euch an seiner Liebe zur Musik und nicht zuletzt an seiner musikalischen Entwicklung teilhaben. Im Moment öffnet er immer wieder gern die Schubladen Deep House, Tech House und Techno. Und dies macht er in jeder freien Minute, die sich finden lässt - mit jeder Menge Einsatz und Engagement, mit unglaublich viel Liebe zum Detail und einer LKW-Ladung Herzblut. Um euch weiterhin qualitativ hochwertige Einblicke in die Welt der elektronischen Tanzmusik zu liefern, ist Philipp für euch immer wieder ganz vorn dabei.

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